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Scharmützelsee - Villenvorort der Weltbürger

Die schönsten Ausflüge in und um Berlin - Serie, Teil 6. Heute: Bad Saarow, Königs Wusterhausen

Es war vermutlich nicht böse gemeint, und dass er die Gegend liebte, den Scharmützelsee, die Wälder und Moore und den meist blauen Himmel darüber, steht außer Frage. Aber als Theodor Fontane beim Wandern durch die Mark Brandenburg nach Saarow kam, da fand er: "Nichts ist hier, gar nichts. Was für eine Gegend!" Keine reine Begeisterung.

Allerdings: Er hatte Recht. Im Vergleich zum ziemlich nahen Berlin, im Vergleich sogar zum sehr nahen Fürstenwalde gab, gibt es in Bad Saarow nichts - im besten Sinne. Darum kann man hier folgende Dinge sehr gut machen: Ruhe suchen. Ruhe finden. Ruhig sein. Ruhe bewahren. Sehr lange durch stille Alleen, über Promenaden und durch Buchenwälder laufen, an manchen Tagen, zu manchen Uhrzeiten, ohne überhaupt jemanden zu treffen. Sehr lange auf das Wasser schauen. Oder auf Liegestühlen liegen. Kann man. Aber das ist längst nicht mehr alles.

"Feingeistiger Vorort"

Recht hatte Fontane auch, weil er Ende des 19. Jahrhunderts einfach zu früh dran war für den Ort. Das wird unter anderem klar, wenn man am Bad Saarower Bahnhof ankommt, und man sollte unbedingt dort ankommen. Denn der Bahnhof mit dem kleinen Turm und den Kolonnaden aus blassgelben Säulen sagt: Willkommen in den 20er-Jahren. Damals wurde Bad Saarow zu dem, was es einmal war und jetzt wieder sein soll. Ein "kleiner, aber feingeistiger Wald- und Wasservorort einer Weltstadt" - und das sollte man schon am Bahnhofsvorplatz erahnen, so der Plan des Architekten. Der hatte ohnehin entscheidenden Anteil daran, dass es hier klein und fein blieb, nachdem die Berliner Landesbank 1905 und 1906 die Rittergüter Saarow und Pieskow gekauft und eine "Landhauskolonie" in Auftrag gegeben hatte.

Für das Feingeistige wiederum sorgte bald die Prominenz aus Berlin, die sich in der Ruhe und den später entdeckten Thermalquellen vom Großstadtleben erholte, und durchaus auch in eigenen Villen residierte. Etliche stehen heute noch, inzwischen saniert und renoviert. Allzu lange dauerte die Wiederentdeckung Bad Saarows nach der Wiedervereinigung nicht.

Man braucht nicht lange nach ihnen zu suchen. Drei Wege gibt es, ungefähr, vom Bahnhof aus: Nach rechts, nach links, und zum See. Über die Seestraße, zum Beispiel. Es dauert nicht lange, da tauchen zwischen dem reichlichen Grün der reichlichen Bäume die Giebel und Erker und Freitreppen und Terrassen auf. Und mit ihnen Geschichten. Davon gibt es mindestens so viele wie Ruhe, in Bad Saarow.

Max Schmeling wollte keine Gaffer

Einige drehen sich um die Berühmten, die sich hier erholten. Zum Beispiel um Max Schmeling, der eigentlich nur ein Wochenendhaus besaß und eigentlich auch nur ein paar Jahre lang. An den auch wenig erinnert, im Ort, der aber trotzdem immer erwähnt werden muss. Erwähnt werden auch Maxim Gorki (einige Monate zur Kur), Egon Erwin Kisch (zu Besuch bei Gorki), Winston Churchill (zu Besuch auf dem 1930 eröffneten Golfplatz), der Stummfilmstar Harry Liedtke, der Maler Bruno Krauskopf - weil sie zu diesen goldenen Jahren gehören, die erste und im Grunde sehr überschaubare Hochzeit des Ortes während der 20er- und 30er-Jahre. Unbedingt dazu gehört der vielleicht einzig große Auftritt Schmelings, als er im Juli 1933 die Schauspielerin Anny Ondra heiratete; die winzige Kirche im Ort war rappelvoll und draußen standen die Menschen Spalier.

Das Haus des Boxers traf später allerdings ein Blitz und ließ wenig übrig, er hatte es ohnehin immer sorgfältig abgeschirmt, denn Schmeling, heißt es, wollte seine Ruhe haben und hasste "Gaffer". Aber das ist so ein Problem in Bad Saarow, denn hier wird man sehr schnell zum Gaffer. Und daran sind eben die Häuser schuld. Traumgehäuse, nannte sie der Lyriker und erste Kulturminister der DDR, Johannes R. Becher, und er selbst hatte natürlich auch eins.

Traumgehäuse wie das "Eierhaus", weiter hinten im Ort, mit seinem seltsam gebogenen, riesigen Dach aus dunklem Holz. Bleibt man davor stehen, kann es durchaus sein, dass ein Bad Saarower sich dazustellt und von dem Herrn Zeppelin erzählt, der hier sein Traumhaus baute, einem Zeppelin ähnlich eben. Das passt zwar, stimmt aber nicht.

Die wahre Geschichte ähnelt der einiger Bad Saarower Villen und ihrer Bewohner: Anfang der 20er-Jahre ließ ein jüdischer Fondsmakler die "Villa Parolo" bauen, ein Freund des so genannten Wassersports und Gründer des Bad Saarower Sportclubs. 1938 kam er nach Pogromen kurzzeitig in Haft. Ein Jahr später verkaufte er das Haus und emigrierte mit seiner Familie nach Amerika. Zu DDR-Zeiten wurde die Villa dann Betriebsferienheim des Elektrokohlekombinats Berlin. Betriebsferienheime gab es einige, in Bad Saarow.

Es gibt nicht mehr viele Spuren von der zweiten Karriere des Kurorts als "Bad der Werktätigen", das Bad Saarow eigentlich länger war als mondänes Seebad. Die letzten Plattenbauten in der Ortsmitte sind vor ein paar Jahren verschwunden. Sie wurden 1945 von der roten Armee besetzt und teilweise für Jahrzehnte abgeriegelt - bis zum Abzug der Truppen 1994 erholten sich also in Kurpark und Moorbad vor allem Armeeangehörige. Aber auch aus dieser Zeit gibt es Geschichten, die blieben, weil sie eifrige Ortschronisten aufzeichneten. Und die natürlich in Traumgehäusen spielen: In der Villa gleich neben dem Seebad etwa, mit den Balkonen aus Holz. In den späten 40er-Jahren übernahm das Zentralkomitee der SED die Villa und machte daraus ein Gästehaus. Hier und in angrenzenden Gebäuden sollen sich nicht nur verdiente Kräfte wie Telefonistinnen und Kraftfahrer erholt haben, sondern auch das Politbüro und ausländische Gäste. Jassir Arafat etwa, oder der russische Kosmonaut Leonow. Heißt es. Nach 1989 wechselte die Villa fast so häufig die Besitzer wie vorher die Gäste. Verfiel zwischendurch. Auch das nichts Ungewöhnliches. An Rückübertragungsansprüchen und ungeklärten Verhältnissen und einigem Hin und Her mangelte es nicht, in Bad Saarow, nach 1989.

Eine Bootstour - zwingend

Dass es gewisse Auseinandersetzungen gab, in den folgenden Jahren, und unterschiedliche Meinungen dazu, wie und vor allem zu welchem Preis Land zu veräußern sei und wo öffentliches Geld einzusetzen. Dass einige Großprojekte erst im zweiten oder dritten Anlauf zustande kamen, und Baustellen vor sich hindämmerten, dass es da also wieder einige Geschichten gab, das deutet man in Bad Saarow an, und verzieht dabei zweideutig das Gesicht. Aber: Bloß keine Details.

Denn heute hat ja irgendwie alles ein gutes Ende genommen, Bad Saarow hat fast das geschafft, was seine Verteidiger seit Jahren propagierten: An die Traditionen seiner Zeit der kurzen "Goldenen Zwanziger" anzuknüpfen. Äußerlich ganz offensichtlich. Und der ein oder andere Prominente wurde auch schon gesichtet. Ach ja, und wer doch mehr als reine Ruhe braucht, da gibt es noch Möglichkeiten: mit dem Fahrrad um den See fahren, zum Beispiel (unbedingt). Mit allen möglichen Booten über den See (zwingend). Mit dem Golfschläger zum Golfplatz (möglicherweise). Ins Seebad (im Sommer immer). Ins Theater am See (lohnend). Oder in die große Therme, natürlich. In die "Bühne", am Bahnhof, zum Kurkonzert. Es gilt, könnte man sagen, wieder das, was der Landrat vor mehr als hundert Jahren zur Eröffnung der Bahnstrecke nach Bad Saarow sagte - käme Fontane heute hierher, "Hunger brauchte er nicht zu leiden und sein Urteil würde wohl anders lauten". Denn es gibt ja fast alles, in Bad Saarow.

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Geschichten gibt es viele in Bad Saarow. Fast alle haben mit den Häusern zu tun.